Viele private Bauherren möchten verständlicherweise möglichst bald in ihre neue Unterkunft einziehen und scheuen den doch langen Zeitaufwand, der ansteht, falls eine erhebliche Schimmelbelastung tatsächlich nachgewiesen wird…
Fachbeitrag im Rahmen des 4. Würzburger Schimmelpilz-Forums
Als einziger Jurist und Nicht-Naturwissenschaftler bzw. Nicht-Techniker in dieser Autorenrunde, möchte ich mich kurz vorstellen: Wir betreiben in München eine auf Bau- und Architektenrecht spezialisierte Kanzlei und arbeiten seit einigen Jahren mit Bausachverständigen und Innenraumspezialisten zusammen, wenn es um die juristische Klärung von streitigen Schimmelschäden im süddeutschen Raum geht.
Erwarten Sie bitte keine Ausführungen zu naturwissenschaftlichen Fragen, sondern eine Darstellung mit welchen, zumindest für uns Juristen schwierigen Fragen aus Ihrem Bereich wir bei der juristischen Durchsetzung solcher Ansprüche konfrontiert werden. Zunächst ein kurzer Überblick, wie diese Zusammenarbeit in der Regel abläuft:
Anhand von konkreten Hinweisen von Seiten der jeweiligen Bauherrn, bzw. auf der Grundlage einer eigenen Ortsbesichtigung, verbunden mit eigenen Feststellungen, wird zur weiteren Feststellung und Untermauerung eventueller Verdachtsmomente auf Schimmelbelastung häufig der zunächst zerstörungsfreie Einsatz des „Messinstruments Schimmelspürhund“ angeregt.
Natürlich stoßen der Schimmelhund und sein Markierungsverhalten bei vielen Bauträgern und Baufirmen auf Ablehnung aus wohlverstandenen Gründen, bei Privatleuten oft auch auf allgemeine Skepsis. Aber die Akzeptanz dieser Vorgehensweise setzt sich bei entsprechender Aufklärung und Dokumentation immer mehr durch bzw. wird immer mehr akzeptiert.
Der nächste Schritt bei entsprechendem Markierungsverhalten des Hundes ist die Materialentnahme. Die Ergebnisse der mikrobiologischen Laboruntersuchungen sind die Grundlage für alles Weitere. Liegen positiv Befunde mit einer mikrobiellen Belastung von Bauteilen vor, so wird oftmals das Thema Desinfektion angedacht bis intensiv diskutiert. Unter juristischen Gesichtspunkten stellt diese Methode aber keine Maßnahme für eine ordnungsgemäße Schimmelsanierung dar.
Das Problem
Viele private Bauherren möchten verständlicherweise möglichst bald in ihre neue Unterkunft einziehen und scheuen den doch langen Zeitaufwand, der ansteht, falls eine erhebliche Schimmelbelastung tatsächlich nachgewiesen wird. Sie geben sich dann des Öfteren mit einer Desinfektionsmaßnahme o. ä. unzureichenden Maßnahmen zufrieden, oder verschließen alle Sinnesorgane. Sie wollen also mit anderen Worten mit der Belastung nichts zu tun haben um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben getreu dem Motto
„Schimmel in der Wand: Gutachter findet eingemauertes Pferd.“
Deswegen ist es erfreulich, wenn Bauherren wie Herr Pfeffer (1), der ja heute Vormittag seine leidvollen Erfahrungen geschildert hat, doch so hartnäckig und selbstbewusst sind, um die Schadensbeseitigung komplett durchzuführen. Dies ist mit persönlichen und finanziellen Belastungen in erheblichem Maße verbunden, führt aber letztlich zu einer zufriedenstellenden Lösung.
Grundlage für unser juristisches Vorgehen sind Gutachten z. B. von den anwesenden Herren Dr. Führer und Riedl, falls nicht im Vorfeld ein Einsehen bzw. eine Einigung mit den ausführenden Firmen oder Architekten zustande kommt.
Hier nun nähern wir uns dem Thema „Desinfektion“, das ich aber auch auf andere Problemstellungen verallgemeinern möchte. Zunächst einmal die Frage, was versteht man unter „Desinfektion“? Hier erlaube ich mir die Definition aus einem Aufsatz von Frau Dr. Messal, Rostock zu zitieren (2), die wie folgt lautet:
„Desinfektion bedeutet normalerweise Abtötung, meist jedoch nur Inaktivieren, nicht Wegschaffen oder In-Luft-Auflösen. Die mehr oder weniger abgetötete Biomasse verbleibt auf der Bauteiloberfläche, kann erneut einen Schimmelbefall auslösen und kann weiter infektiös bleiben. Allergene und Toxine werden in der Desinfektion nicht beseitigt. Daher muss Biomasse, ob nun vital, bzw. mehr oder weniger desinfiziert immer entfernt werden.“
Wird nun in der Praxis bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen wegen Schimmelbefall ein solcher Fall streitig, bzw. sind Versicherungen eingeschaltet, werden von diesen in der Regel sogenannte „Schadensbüros“ eingeschaltet, deren Mitarbeiter dann vor Ort Messungen in unterschiedlichster Qualität und Quantität vornehmen. Hierzu werde ich gleich einige Beispiele aus der jüngsten Zeit bei uns in der Praxis vortragen
Das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2006
Unter Berücksichtigung der oben zitieren Definition bzw. den unzureichenden Maßnahmen einer Desinfektion wird auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 29.06.2006 verwiesen, die zwar wahrscheinlich allseits bekannt ist. gleichwohl möchte ich den Leitsatz nochmals wiederholen:
Eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung eines mit Schimmelpilz befallenen Dachstuhls liegt nicht vor, wenn dessen Holzgebälk nach Vornahme der Arbeiten weiterhin mit Schimmelpilzsporen behaftet ist. Dies gilt auch dann, wenn von diesen keine Gesundheitsgefahren für die Bewohner des Gebäudes ausgehen.
In den Urteilsgründen dieser Entscheidung wird ausdrücklich nochmals hervorgehoben, dass der verschimmelte Dachstuhl selbst dann mangelhaft im Sinne der Werkvertragsvorschriften gewesen wäre, wenn von ihm keinerlei Gefahren für die Bewohner des Hauses gedroht hätten. Es besteht also zusammengefasst ein Anspruch auf ein „schimmelfreies“ Gebäude im Neubaubereich.
Zwar bin ich der Ansicht, dass diese Feststellungen an sich auch mit gesundem Menschenverstand in die bestehenden Vorschriften des BGB bzw. der VOB eingeordnet werden können, aber es ist hilfreich und Grundlage für viele einschlägige Diskussionen, dass diese Voraussetzung selbst vom BGH ausdrücklich festgelegt wurde.
Ich hatte oben bereits darauf hingewiesen, dass die Maßnahme „Desinfektion“ leider immer noch vom betroffenen Bauherrn in vielen Fällen bevorzugt wird, anstatt die Ursachen für die Schimmelbeseitigung zu erforschen und diese zu beseitigen. Hier darf ich auf die Presseinformation Nr. 26 des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2009 verweisen, in der ebenfalls auf diese Problematik hingewiesen wurde (3).
Berücksichtigt man also die Bedenken, die meine Vorredner in ihren Vorträgen bzgl. Desinfektionsmaßnahmen genannt haben, legt man weiter die Grundlagen des Umweltbundesamts zugrunde, so ist bei einer reinen Desinfektionsmaßnahme bei festgestellter, erheblicher Schimmelbelastung mit Sicherheit keine ausreichende Maßnahme gegeben, um von einer ordnungsgemäßen Schimmelbeseitigung im Sinne der oben zitierten BGH-Rechtsprechung ausgehen zu können.
Legt man diesen Sachverhalt zugrunde, so stellt sich dann uns Juristen in der Beratungspraxis die Frage, welche Auswirkungen hat eine reine Desinfektionsmaßnahme auf eventuelle Gewährleistungsansprüche des Bauherrn? Dies kann nach meiner Ansicht wie folgt beantwortet werden:
Sollten die Bauherren diese Vorgehensweise akzeptieren obwohl sie von einschlägigen Sachverständigen auf die Unvollständigkeit einer Desinfektions-Maßnahme hingewiesen worden sind, dürften sie wohl ihre weitergehenden Gewährleistungsansprüche verlieren. Dies insbesondere dann, wenn der Unternehmer weiß, dass trotz dieser Hinweise die Desinfektion als Maßnahme vom Bauherrn für ausreichend erachtet wird.
Bei nicht gegebener Beratung des Bauherrn und dann erfolgter Akzeptanz der Desinfektion durch den Bauherrn als Privatperson, wird man wohl nach wie vor weiter gehende Gewährleistungsansprüche innerhalb der normalen Gewährleistungsfrist geltend machen können, falls diese Schimmelbildung nicht behoben ist bzw. wieder auftritt.
Fallbeispiele
Neben dem Hinweis auf Desinfektion möchte ich aber noch einige besonders markante Beispiele vortragen, mit denen wir uns im Rahmen der Durchsetzung von Schimmelansprüchen auseinanderzusetzen haben, insbesondere, wenn von Versicherungen sogenannte „Schadensbüros“ eingesetzt werden.
Wasserschaden
Als erstes Beispiel schildere ich einen Fall in einer Eigentumswohnungsanlage in einer Kleinstadt in der Nähe von München: Dort war im 1. Obergeschoss eine wasserführende Leitung undicht geworden. Es war in nicht unerheblichem Maße Wasser ausgetreten, sodass sogar die Feuerwehr die Wasserspuren in der Wohnung der Mandantschaft, die im Erdgeschoss unter dieser Wohnung lebte, anrücken musste.
Hier wurde im ersten Brief der eingeschalteten Versicherung an die Mandanten folgendes geschrieben:
„… aufgrund der von Herrn XY (Sachverständiger) durchgeführten Luftuntersuchungen im Flur und Wohnzimmer ergab sich bei strenger Auslegung der Vorgaben des Umweltbundesamts die Bewertung „Innenraumquelle nicht auszuschließen“ bzgl. der Schimmelpilz Cladosporium im Vergleich der Spurenkonzentration in der Außenluft.
Absolut betrachtet ist die Innenraumkonzentration nicht als hoch einzustufen und ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass keine schadenbedingte Schimmelbelastung in der Wohnung der Mandanten vorliegt.“
Man hat dann versucht, die Mandantschaft mit ca. € 9.000 „abzuspeisen“. Diese Wohnung (wenn man sie betrat war extrem geruchsauffällig und verursachte nicht nur bei mir, sondern bei allen danach Beteiligten innerhalb kürzester Zeit sehr unangenehme Kopfschmerzen.
Daraufhin haben öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige (ö.b.u.v. SV für Schäden an Gebäuden und für Schadstoffe in Innenräumen) ein Gutachten erstellt, dass zu dem Ergebnis kam, dass die Wohnung bzgl. der Boden- und teilweisen Wandkonstruktionen komplett saniert werden muss und einen Aufwand von ca. € 90.000 zugrunde gelegt.
Nach Vorlage dieses Gutachtens wurde dann ein höherer, jedoch nicht ausreichender Betrag von € 49.000 von der Versicherung plötzlich angeboten und zwar unter Hinweis auf angebliche Äußerungen der Mandantschaft, dass in einem Zimmer aus der Decke weniger Wasser ausgetreten sei als in den anderen. Deswegen sei hier kein Bodenaustausch notwendig. Als weiterer Hinweis kam immer wieder der Einwand, dass Schäden am Gemeinschaftseigentum, obwohl sie sich unmittelbar in der Wohnung der geschädigten Sondereigentümerin auswirkten, nicht bezahlt werden. Dies sei Aufgabe der Hausverwaltung bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft.
Das letztere Problem ist ein juristisches Problem und ist nach meiner Meinung bzw. Erfahrung klar geregelt: Der Sondereigentümer hat einen eigenen Anspruch auf Beseitigung von Schäden, die im Gemeinschaftseigentum liegen, sich aber in das Sondereigentum des Geschädigten auswirken.
Für mich ist diese Handhabung ein recht typisches Beispiel, wie von Versicherungen sehr oft der Schaden „kleingeredet“ wird.
Neubauschaden
Ein weiteres sehr markantes Beispiel ist ein Vorgang, ebenfalls in der Nähe von München, bei dem neben einem ö.b.u.v. SV (für den Bauherrn) ein weiterer ö.b.u.v. SV aber für den Bauträger tätig war. Ursprünglich wurde zur „Beseitigung“ der Schimmelschäden von dem ö.b.u.v. SV des Bauträgers eine Desinfektion der Fußbodenkonstruktion vorgeschlagen, mit folgendem Fazit: … erhält der Kunde damit die Garantie für eine erfolgreiche Dekontaminierung des Estrichfußbodens und hat nunmehr einen Fußboden von weit höherer Qualität als er je durch einen neuen Fußboden erlangen könnte.“
Nach Ablehnung dieser Sichtweise durch den Bauherrn, erfolgte durch den ö.b.u.v. SV des Bauträgers erneute mikrobiologische Untersuchungen der Fußbodenkonstruktion mit dem für alle Beteiligten überraschenden Ergebnis, das es dort gar keine mikrobielle Belastung gäbe. Die beiden ö.b.u.v. SV kamen demzufolge bzgl. Schimmelbelastung im Fußbodenaufbau zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
Der für den Bauträger tätige Sachverständige hat die verschiedenen Ergebnisse auf unterschiedliche Untersuchungsmethoden geschoben, wobei natürlich seine Methode die einzig richtige war und die Methode des ö.b.u.v. SV des Bauherrn mehr oder weniger als stümperhaft bezeichnet wurde. „Leider“ wird dieses Verfahren durch Komplettsanierung durch den Bauträger nun doch vorzeitig beendet.
Ohne näher in die Details zu gehen, möchte ich damit nur dokumentieren, dass wir als Juristen bei der Durchsetzung der vorgeschlagenen Schimmelbeseitigungsmaßnahmen immer wieder fachmännische Hilfe benötigen, da wir die jeweiligen fachlich-technischen Argumente nicht auf ihre Werthaltigkeit hin überprüfen können.
Bestandsbauten
Ähnliches ist in einem 3. Fall in der Bewertung einer Belastung in den gemieteten Räumen einer Apotheke geschehen: Ein ö.b.u.v. SV kommt zu einer Schimmelbelastung in erheblichen Umfang. Der vom Vermieter eingeschaltete Baubiologe hat für seine Bewertung das sogenannte OPD-Verfahren angewandt, bei dem Petrischalen als „Passivsammler“ aufgestellt werden. Diese Methodik wird schon lange Zeit vom Umweltbundesamt als nicht empfehlenswert angesehen.
Auch hier kommen dann völlig unterschiedliche Ergebnisse zustande, die wir bei der weiteren rechtlichen Verfolgung der Ansprüche bewerten und berücksichtigen müssen.
Fazit
Zusammenfassend gibt es immer mehr (öffentlich bestellte und vereidigte) Sachverständige, die sich fachkompetent mit Schimmelschäden auseinandersetzen und sich eindeutig gegen Desinfektionsmaßnahmen bei Schimmelbelastung aussprechen.
Hinsichtlich dieser Erfahrungen zum Schluss ein persönlicher Appell: Es wäre für uns Juristen bei der Durchsetzung von fachgerechten Maßnahmen bei Problemen von Schimmelpilzbelastungen in Innenräumen (unabhängig von der nicht ganz einfachen naturwissenschaftlichen Problematik) wesentlich einfacher und zielführender, wenn die zuständigen öffentlichen Organe es schaffen würden, verbindliche Richtlinien für die Bewertung von Schimmelschäden im Bodenbereich bzw. deren Behebung aufzustellen.
Bislang ist es aber in Zusammenarbeit mit qualifizierten fachkundigen Sachverständigen immer gelungen, die teilweise etwas abstrusen Gegenargumente erfolgreich zu widerlegen.
Literatur
(1) Pfeffer R, 2014:
Die Krise als Chance – Schimmelvorbeugung bei einem Einfamilienwohnhaus, Tagungsband 4. Würzburger Schimmelpilz-Forum „Die Sanierung der Sanierung“
(2) Messal C, 2014:
Desinfektion von Schimmelpilzbefällen – wo stehen wir? Der Bausachverrstänidge 56/2013, 33 – 36
(3) Umweltbundesamt, 2009:
Schimmelbefall in der Wohnung – Umweltbundesamt empfiehlt: fachgerecht sanieren ohne Desinfektionsmittel, Pressemitteilung Nr. 26/2009
Der komplette Fachbeitrag zum Download:
Schimmelschäden und Desinfektion: Pragmatische Ansätze und Gewährleistung