Wegen hoher Sanierungskosten gilt es, Schimmelschäden in Gebäuden prinzipiell zu vermeiden und damit Betroffenen zu helfen, Versicherungen zu unterstützen, das Gesundheitssystem zu entlasten, Bauunternehmen vor Risiken zu bewahren, … Dazu gehört auch, dass sich die genannten Gruppen incl. der Sachverständigen fortbilden und mikrobiologische Grundlagen und Kenntnisse erwerben sollten, um fachlich richtige, schadenstolerante, einfache und kostengünstige Lösungen zu finden.
Fachbeitrag im Rahmen des 5. Würzburger Schimmelpilz-Forums
Zusammenfassung
Risiken
Neubau:
Ob bereits vor dem Bezug eines Neubaus ein Schimmelschaden vorliegt, lässt sich durch eine visuelle Begutachtung nicht erkennen. Aber nur diese ist heute bei Bauabnahmen üblich, obwohl bei der Gebäudeerstellung viele Möglichkeiten für Feuchteinträge als Grundlage für Schimmelpilz-/ Bakterienwachstum möglich sind.
(Leitungs-)Wasserschaden:
Ohne mikrobiologische Bestandsaufnahme lässt sich keine systematische Sanierung durchführen. Ein alleiniges Trocknen beseitigt die Feuchtigkeit als Grundlage für jede mikrobielle Aktivität. Die gebildete mikrobielle Biomasse bleibt aber unberücksichtigt und damit im Gebäude.
Bestandsgebäude:
Im Hinblick auf vielfältige Erkenntnisse spezialisierter Kreise ist davon auszugehen, dass gebäudebedingte Erkrankungen in erheblichem Umfang vorliegen. Ein wesentlicher Risikofaktor dafür ist die mikrobiologische Innenraumsituation.
Kosten
„Kosmetische“ Schimmelsanierungen sind billig, werden aber sehr teuer bei einer „Sanierung der Sanierung“. Unter fachlichen Gesichtspunkten ist eine mikrobiologische Bestandsaufnahme vor Abnahme eines Gebäudes, vor Beginn einer Wasserschadenssanierung oder zur Klärung der Bestandssituation nötig, um eine fundierte Grundlage für alles Weitere zu erhalten. Und: Eine Schimmelsanierung kostet in aller Regel ein Vielfaches einer mikrobiologischen Bestandsaufnahme.
Vorsorge
Wegen hoher Sanierungskosten gilt es, Schimmelschäden in Gebäuden prinzipiell zu vermeiden und damit Betroffenen zu helfen, Versicherungen zu unterstützen, das Gesundheitssystem zu entlasten, Bauunternehmen vor Risiken zu bewahren, … Dazu gehört auch, dass sich die genannten Gruppen incl. der Sachverständigen fortbilden und mikrobiologische Grundlagen und Kenntnisse erwerben sollten, um fachlich richtige, schadenstolerante, einfache und kostengünstige Lösungen zu finden.
Können mit Raumluftmessungen auf Sporen verdeckte Schimmelschäden sicher erkannt werden?
Antwort: Nein, wenn ein haftungsrechtlicher Tatbestand vermieden werden soll.
Ist ein Schaden mit hohen Sporenkonzentrationen in der Raumluft als wahrscheinlich zu bewerten, kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass bei niedrigen Sporenkonzentrationen kein Schimmelpilz- und/ oder Bakterienschaden vorliegt. Ein Schaden hinter vorgeblendeten Bauteilen muss nicht zu einer nachweisbaren Belastung mit großen partikelartigen Sporen der Raumluft führen. Im Gegensatz zu partikelartigen Strukturen gelangen gasförmige Emissionen auch bei „abgedeckten“ Schäden in die Raumluft und können dort nachgewiesen werden.
Bereits im Jahr 2002 hat das Umweltbundesamt (UBA) in seinem „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ (1) auf Seite 45 formuliert: „In Einzelfällen kann es nämlich vorkommen, dass z. B. Ergebnisse von Luftkeimsammlungen negativ ausfallen, obwohl ein Schaden vorliegt.“
Hinsichtlich neuerer Erkenntnisse wäre im obigen Text des UBA-Leitfadens das Wort „Einzelfällen“ durch „vielen Fällen“ zu ersetzen. Dies ist aus systematischen Untersuchungen abzuleiten, bei denen in einem 1. Schritt sowohl partikelartige Sporen als auch gasförmige Stoffwechselprodukte in der Raumluft bestimmt und die Ergebnisse miteinander verglichen wurden. Entsprechend der Ergebnisse der Sporenuntersuchungen war eine mikrobielle Innenraumquelle als unwahrscheinlich zu bewerten, während hohe Konzentrationen von Stoffwechselprodukten ein klares Indiz für Innenraumquellen darstellten.
In einem 2. Schritt wurden nach Einsatz eines Schimmelspürhundes aus markierten Bereichen nach Bauteilöffnungen Materialproben gewonnen und mit geeigneten Methoden auf Schimmelpilze und Bakterien untersucht. Im Ergebnis wurden bei hohen Stoffwechselkonzentrationen bei gleichzeitig niedrigen Sporenkonzentrationen relevante (groß)flächige mikrobielle Schäden in Dämmebenen erkannt (Abb. 1).
Vor diesem Hintergrund sind alleinige Raumluftuntersuchungen auf Sporen zur Einschätzung eines Schadens immer kritisch zu hinterfragen. Im einfachsten Fall ist ein Schaden da zu untersuchen wo er zu erwarten ist, im konkreten Fall in Dämmebenen von Dach-, Decken-, Wand- und vor allem Fußbodenkonstruktionen (weil Wasser physikalischen Gesetzmäßigkeiten entsprechend nach „unten“ läuft). Praktischer Vergleich mit einem Auto: Wenn der Verdacht auf einen Motorschaden vorliegt, überprüft man nicht den Luftdruck im Reifen, sondern den Motor.
Sind Sporenuntersuchungen in der Raumluft ausreichend, um die innenraumhygienische Situation bezüglich „Schimmel“ zu charakterisieren?
Antwort: Nein, weil Schimmelpilze nicht nur aus Sporen bestehen.
„Schimmelpilze“ ist ein Sammelbegriff für Pilze, die typischerweise Pilzfäden und Sporen (fortpflanzungsfähige Einheiten) ausbilden können. Bei „Schimmelschäden“ treten neben Schimmelpilzen häufig (sporenbildende) Bakterien auf. Typischerweise stehen die Sporen im zentralen Interesse, weil diese vergleichsweise einfach nachzuweisen sind. Dabei sind keimfähige, schlecht und nicht keimfähige Sporen speziell wegen der Untersuchungsmethodik zu unterscheiden. Weitere partikelartige Strukturen mikrobiellen Ursprungs sind Zellwandbruchstücke und Mycelteile mit Oberflächenstrukturen wie ß-Glucane und Proteinanhängen. Häufig sind bei Schäden derartige Strukturen gar nicht nachweisbar oder können nicht bewertet werden.
MVOC (Microbial Volatile Organic Compounds = Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen) und geruchsaktive Verbindungen sind gasförmige Emissionen von Mikroorgansimen. Mycotoxine (Schimmelpilzgifte), Exo- und Endotoxine (Bakteriengifte) können sowohl gasförmigen als auch partikelartigen Charakter haben. Wegen einer fehlenden bzw. (noch) ungenügenden praxisrelevanten Forschungstätigkeit sind möglicherweise zusätzlich andere, bis heute unbekannte gesundheitsrelevante Strukturen von gasförmigen Emissionen über Makromoleküle und Nanopartikel bis hin zu größeren staubartigen Bestandteilen in Innenräumen zu berücksichtigen.
Und schließlich: Wenn sich mikrobielle Zellstrukturen auflösen, werden Zellbestandteile freigesetzt. Im trockenen Zustand bilden sich daraus „Zellstäube“, die vergleichsweise klein und leicht sind. Damit sollten sie mobil sein, wodurch eine Raumluftbelastung zu erwarten ist. Zusammenfassend ist bis heute unklar, was oder welche Struktur das eigentlich „Krankmachende“ bei Schimmelschäden ist.
Sind bei der Untersuchung und Bewertung eines „Schimmelschadens“ Bakterien mit einzubeziehen?
Antwort: Ja, weil ansonsten ein wesentlicher Faktor zur Schadensbeurteilung unberücksichtigt bleibt und ein mikrobieller Schaden „übersehen“ werden kann.
Bestimmungswidrige Feuchtigkeit in Dämmebenen hat zwei räumliche Dimensionen und ein zeitliche Komponente: Beispielsweise gibt es nach einem Wasserschaden in einer Fußbodenkonstruktion je nach Feuchtigkeitsmenge und Ausdehnung in der Fläche feuchtere und weniger feuchte Bereiche. Zusätzlich besteht ein Feuchtegradient innerhalb der Dämmebene von oben nach unten mit höchsten Feuchtewerten auf dem Rohbeton und niedrigsten Feuchtewerten an den höchsten Punkten der Dämmung, nämlich direkt unter dem Estrich. Völlig unkalkulierbar wird der zeitabhängige Feuchtestatus an unterschiedlichen Stellen in der Fußbodenkonstruktion bei technischem oder natürlichem Trocknen (i. e. dem Übergang vom wässrigen zum gasförmigen Aggregatszustand des Wassers incl. dem Austreten „feuchter“ Luft aus der Dämmebene der Fußbodenkonstruktion).
Je nach Feuchtestatus stellen sich aber unterschiedliche Mikroorganismen ein: Bakterien mögen es typischerweise sehr feucht und bilden dabei durch schnelles Wachstum eine entsprechende Biomasse. Schimmelpilze mögen artabhängig unterschiedliche Feuchtemilieus, die sie bevorzugt besiedeln. Diese liegen aber in einem deutlich trockeneren Bereich, verglichen mit dem Optimum des Feuchtemilieus von Bakterien.
Zusätzlich ist bei „Schimmelschäden“ auch eine Dynamik bezüglich „Fressen“ und „Gefressen werden“ zu beachten: In feuchtem Milieu werden vorhandene Schimmelpilze von Bakterien einfach überwachsen (und ggf. „eliminiert“), d. h. in diesem Stadium sind keine Schimmelpilze mit etablierten Methoden nachweisbar. Im Rahmen von Trocknungsvorgängen oder am Rande des Wasserschadens schlägt die Stunde der angepassten Schimmelpilzarten: Sie erwehren sich der Bakterien z. B. durch Schimmelpilzgifte (wie Penicillin) oder nehmen die gebildete Bakterienbiomasse gar als Nährstoffgrundlage.
Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig, bei Wasser-/ Feuchte-/ Schimmelschäden neben Schimmelpilzen auch Bakterien in die Untersuchungen mit einzubeziehen. Darauf hat das Umweltbundesamt in seiner Information im Jahr 2009 (3) bezüglich Actinomyeten (sporenbildende Bakterien) hingewiesen. Bakterien wurden auch berücksichtigt in den von derselben Behörde herausgegebenen Handlungsempfehlungen zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden (4, Entwurf zur öffentlichen Diskussion).
Aus eigenen Erfahrungen ist anzufügen, dass darüber hinaus bei Materialuntersuchungen sowohl mikroskopische als auch kultivierungstechnische Untersuchungen mit Verdünnungsreihen einbezogen werden sollten. Nur dann kann eine vollumfängliche Bewertung von Materialproben beispielsweise aus Fußbodenkonstruktionen stattfinden (siehe Abb. 2).
Um den kompletten Fachbeitrag zu lesen klicken Sie bitte hier:
Schimmelschäden – gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen