Schimmelpilze und Bakterien können sich an alle Lebensräume anpassen. Zum Thema Schimmelpilze in Innenräumen wurden und werden unzählige Pressemitteilungen veröffentlicht. Meist sind Mieter-Vermieter-Auseinandersetzungen und Lüftungsproblematiken vordergründiges Thema. Aber auch das Themengebiet „Schimmel und Gesundheit“ steht immer wieder im Fokus der Berichterstattung.
Im Spannungsfeld zwischen „Baumenschen“ und Sachverständigen fühlen sich Bewohner und Raumnutzer von schimmelbelasteten Wohn- und Büroräumen oft unverstanden, speziell wenn es um unklare, vermeintliche oder tatsächliche gesundheitliche Beeinträchtigungen und um gesundheitliche Vorsorgegesichtspunkte geht. Mediziner gibt es wenige, die sich fachkompetent und fachübergreifend in die Schimmeldiskussion einmischen. Woher kommt das? Gibt es keine Leitlinien, Testverfahren, oder Handlungsempfehlungen? Und wie gehen andere Länder mit dem sensiblen Thema „Schimmel und Gesundheit“ um?
Deutschland: Der neue Leitfadenentwurf des Umweltbundesamtes (UBA) aus dem Jahr 2016 und die Schrift des Robert Koch Instituts (RKI) „Schimmelpilzbelastung in Innenräumen – Befunderhebung, gesundheitliche Bewertung und Maßnahmen“ aus dem Jahr 2007 geben fundierte Informationen für Sachverständige und Schimmelinteressierte. In beiden Veröffentlichungen kommt man zu dem Schluss, dass Schimmel in Innenräumen aus Vorsorgegründen nicht zu tolerieren ist und krank machen kann.
US-amerikanische und europäische Gesundheitsbehörden sehen ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei dem Vorhandensein von Schimmel in Innenräumen. Internationale Studien und Fachliteratur untermauern dieses. Vielfältige Erkenntnisse wurden im Rahmen der Feuchte-/ Schimmelschäden nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans gewonnen. Bereits im Jahr 2009 hat die Weltgesundheitsorganisation in ihren umfangreichen Werk „WHO-guidelines for indoor air quality: dampness and mould“ den Zusammenhang zwischen „Schimmel und Gesundheit“ dargestellt.
1. Einführung Schimmel
Unter den landläufigen Begriffen „Schimmel“ oder “Schimmelschaden“ sind verschiedene Bestandteile zu verstehen, die bei jeder Diskussion zu „Schimmel und Gesundheit“ mit berücksichtigt werden müssen. Dies sind im Einzelnen:
- Molekulare Bestandteile: gasförmige Verbindungen (MVOC), Geruchsstoffe, Zellwandbestandteile (wie ß-Glucane), Toxine (Myko-, Exo-, Endotoxine),
- Zelluläre Bestandteile: Mycel, Sporenträger, Sporen, Zellwandbruchstücke
- Mikroorganismen: Schimmelpilze, Bakterien, Amöben, Biofilme
- Pflanzen-/ „Schimmelpilzfresser“: Milben, Staubläuse, Silberfischchen, Kellerasseln sowie deren Ausscheidungen und Bestandteile.
2. Krankheiten und Schimmel
Bereits 1873 hat der britische Arzt Charles Blackley die Hypothese aufgestellt, dass Sporen von Penicillium glaucum Heuschnupfen verursachen könnten. Zitiert aus (1), siehe Abb. 1.
Der Begriff „Toxic mold“ wird oft gleichbedeutend verwendet, wird aber auch für andere potentielle Toxinbildner benutzt. So traten zum Beispiel nach dem Hurrikan Katrina und den folgenden Hochwasserkatastrophen in den USA in den durchfeuchteten Häusern vermehrt Atemwegsprobleme bei den Bewohnern auf. Untersuchungen der Raumluft sowie der Außenluft in und im Bereich der durch die Flut geschädigten Häuser zeigten erhöhte Konzentrationen an Stachybotrys Sporen.
Zusätzlich untersuchten die amerikanischen Behörden auch Stäube auf Mykotoxine und fanden in den durch Feuchte geschädigten Häusern vergleichsweise hohe Toxinkonzentrationen.
Als mögliche bis (höchst)wahrscheinliche gesundheitliche Risiken durch Schimmel werden Allergien, Sensibilisierungsreaktionen toxische Wirkungen und Infektionen diskutiert. Die Eintrittspfade in den Körper können entsprechend der Struktur und der chemisch-physikalischen Eigenschaften von „Schimmel“ inhalativ (über die Atemwege), oral (über den Verdauungstrakt) und dermal (über die Haut) sein. Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) können zum Beispiel sowohl inhalativ und oral, als auch über die Haut aufgenommen werden.
Problematische Schimmelpilze bezüglich ihrer toxischen Wirkung sind (aus 2): Aspergillus fumigatus, Stachybotrys chartarum, Chaetomium globosum, Aspergillus versicolor und Trichoderma Arten. Vor allem bei Arbeiten mit hohem Staubaufkommen z. B. bei Arbeitern im Kompostwerk oder in der Landwirtschaft tritt das organic dust syndrom (ODS) auf. Bewohner der Häuser in und um New Orleans entwickelten aber auch nicht selten das sogenannte Sick Building Syndrome (SBS). Typisch für dieses Krankheitsbild sind eine Reihe von unspezifisch erscheinenden Symptomen wie Kopfschmerzen, Augentränen, andauernde Müdigkeit, Atemwegsbeschwerden u. v. a.
Eine Publikation aus der Slowakei beschreibt diese gebäudebedingte Erkrankung als eine Reaktion des menschlichen Körpers auf eine länger andauernde chronische Dauerbelastung mit einer Mischung von toxischen Schimmelpilzbestandteilen in niedriger Konzentration (3). Dabei spielen offenbar synergistische Effekte mit anderen Innenraumschadstoffen eine Rolle.
Kombinationseffekte, Mischexpositionen und Niedrigdosiseffekte von Schadstoffen werden in der Umweltmedizin diskutiert. Zusätzlich wird die genetische Ausstattung als relevant angesehen: So befasst sich eine Reihe von Studien mit Gen-Umwelt Wechselwirkungen im Zusammenhang mit Schimmel. Mutationen im Endoplasmatischen Reticulum (ER) führen offenbar dazu, dass oxidativer Strees in der Zelle anders verarbeitet wird, Schadstoffeinwirkungen wirken damit verstärkt (4). Durch eine Genvariation kann aber auch die Hautbarriere gestört sein. Personen mit dieser genetischen Ausstattung haben ein ungleich höheres Risiko einer atopischen Dermatitis zu entwickeln. Auch hier kommt es zu vermehrtem oxidativem Stress in der Zelle, es wird aber auch ein Zusammenhang zwischen erhöhter Mykotoxinaufnahme und krankhaften Hautveränderungen postuliert (5).
3. Bestehende normgleiche Schriften bzw. neuere „Sondernormen“ aus Deutschland
3.1 Empfehlung des Robert Koch Instituts
In der Schrift aus dem Jahr 2007 (6) wird geschlussfolgert, dass Schimmel in Innenräumen aus Vorsorgegründen nicht zu tolerieren ist und krank machen kann. Um Detailliertere Erkenntnisse zu gewinnen, wird zusätzlicher Forschungsbedarf angemahnt:
- Verbesserung der medizinisch-diagnostischen Methoden
- Abschätzung des Infektionsrisikos
- Abschätzung des inhalativen Risikos
- Relevanz anderer biologischer Noxen (z.B. Actinomyceten)
3.2 UBA Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden „Schimmelleitfaden“ Entwurf 2016
Der Schimmelleitfaden (7) richtet sich an Sachverständige, Sanierer und mikrobiologische Labore. Zur Frage nach der Wirkung von Schimmel im Innenraum auf die Gesundheit verweist der neue Leitfaden auf die Tabelle 10 der WHO-Guidelines for Indoor Air Quality: Dampness and Mould von 2009 (8).
Hintergrundwissen zu den einzelnen möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Schimmelpilzen in Innenräumen wird dort zusammengefasst dargestellt. Wesentlich:
- Feuchte und Schimmelbefall in Innenräumen erhöhen das Risiko für Atemwegserkrankungen sowie für eine Entwicklung und Verschlimmerung von Asthmasymptomen bei den Raumnutzern.
- Im Einzelfall (Patient) ist es nicht möglich, gesundheitliche Wirkungen ursächlich auf den Schimmelbefall in einem bestimmten Innenraum zurückzuführen, da prinzipiell eine Vielzahl von Ursachen für die Erkrankung und die Sensibilisierung verantwortlich sein können.
- Schimmelpilze können sensibilisierend wirken und in der Folge allergische Reaktionen auslösen. Ein Nachweis spezifischer Antikörperim Blut läßt weder Rückschlüsse auf den Ort der Exposition gegenüber Schimmel (Inneraum oder Außenluft) noch auf den Schweregrad der allergischen Reaktion zu.
- Reizende und toxische Wirkungen von Schimmelpilzen wurden bisher fast ausschließlich an Arbeitsplätzen mit sehr hohen Schimmelpilzkonzentrationen nachgewiesen. Das Ausmaß und die Bedeutung reizender und geruchlicher Wirkungen bei Schimmelbefall in Innenräumen sind nicht hinreichend bekannt.
- Infektionen durch Schimmelpilze (Mykosen) kommen im Innenraum äußerst selten und nur bei besonders empfänglichen, stark immungeschwächten Patienten vor. Stark immungeschwächte Patienten, die ambulant behandelt werden, sollten von ihrem Arzt unbedingt über die Risiken einer Infektion durch Schimmelpilze aufgeklärt werden.
Wichtig für Sachverständige laut Schimmelleitfaden des UBA (Entwurf 2016)
- Die Feststellung einer Schimmelquelle im Innenraum darf nicht mit einer akuten Gesundheitsgefährdung der Raumnutzer gleichgesetzt werden.
- Sachverständige dürfen keine gesundheitliche Bewertung vornehmen. Dies ist den Gesundheitsberufen vorbehalten.
3.3 AWMF Schimmelpilzleitlinie
Die Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“ aus dem Jahr 2016 (9) wurde von einem Zusammenschluss von Medizinern und Behördenvertretern speziell zur Beantwortung von Fragen der Mediziner verfasst. Es wird in der Studie betont, dass die Beantwortung der Frage, welches Gesundheitsrisiko mit dem Nachweis von Schimmelpilzen in Innenräumen verbunden ist, primär eine ärztliche Aufgabe ist. Einige Kernaussagen sind aber auch zu interdisziplinären Verwendung geeignet und als Hintergrundwissen für Sachverständige, Sanierer und Betroffene von Interesse. Zitate aus der AWMF Leitlinie:
- Da die individuelle Empfindlichkeit und Exposition gegenüber Schimmelpilzen stark variieren, können keine Richtwerte (KBE/m3) festgelegt werden.
- Eine quantitative gesundheitliche Bewertung ist nicht möglich.
- Allerdings sind aufgrund der der potentiellen Gesundheitsgefährdung von Feuchte-/Schimmelpilzschäden in Innenräumen aus hygienisch-präventiver Sicht solche Schäden als bedenklich einzustufen (vgl. überarbeitete Fassung des UBA-Leitfadens; Erscheinungstermin in 2016) und stets sachgerecht zu sanieren.
- Schimmelpilzwachstum im Innenraum ist aus Sicht der Prävention als ein potentielles Gesundheitsrisiko zu betrachten, auch ohne dass ein quantitativer und kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorkommen einzelner Arten und Gesundheitsbeschwerden gesichert werden kann. Ein Feuchteschaden und/ oder ein Schimmelpilzwachstum in Innenräumen ist aus gesundheitlicher Sicht immer ein hygienisches Problem, das -auch ohne dass Gesundheitsstörungen vorhanden sind- nicht hingenommen werden darf.
Das Risiko einer Allergie gegen Schimmelpilze in Innenräumen zu entwickeln, hängt neben den vorhandenen Schimmelpilzarten auch von der Prädisposition der Raumnutzer ab (siehe Abb. 2, Quelle: AWMF Studie)
4. Europäische und nordamerikanische Studien und Empfehlungen
(eine Auswahl)
4.1 USA
Das Center of Disease Control (CDC, amerikanische Gesundheitsbehörde) veröffentlichte im Jahr 2000 eine Stellungnahme zu den Vorkommnissen in Cleaveland. In Wohnhäusern von sozial schwachen Bevölkerungsgruppen kam es zu Lungenblutungen bei Kindern. In Folge wurden Belastungen der Häuser mit Stachybotys chartarum nachgewiesen. Die Untersuchungen wären jedoch fehlerhaft gewesen und ein kausaler Zusammenhang zwischen Lungenbluten und Schimmel im Innenräumen nicht nachweisbar. Amerikanische Kinderärzte empfehlen dennoch bei Lungenbluten „nach Schimmel im Innenraum“ zu fragen.
Aktuell findet sich folgendes auf der Homepage des CDC (Zitat frei übersetzt (10)):
Wie beeinflusst Schimmel Menschen?
- Manche Menschen sind empfindlich auf Schimmelpilze. Für diese Menschen kann die Exposition gegenüber Schimmelpilzen Symptoms verursachen wie Nasen laufen, Augenreizung, Keuchen oder Hautreizungen. Einige Leute, wie diejenigen mit Vorerkrankungen und ernsten Allergien gegen Schimmelpilze, können schwerere Reaktionen ausprägen. Bei Arbeitnehmern, die großen Mengen von Schimmelpilzen im beruflichen Umfeld ausgesetzt sind, können schwere Reaktionen auftreten wie z. B. bei Landwirten, die mit schimmeligem Heu arbeiten.
- Schwere Reaktionen können z.B. Fieber und Kurzatmigkeit sein. Manche Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen, wie obstruktive Lungenentzündung, können in ihren Lungen Schimmelinfektionen entwickeln.
- Im Jahr 2004 fand das Institut of Medicine (IOM) hinreichende Beweise für eine Verknüpfung von Innenraumbelastungen mit Schimmel und Symptomen der oberen Atemwege, Husten und Keuchen bei ansonsten gesunden Menschen …
- Neuere Studien sehen einen möglichen Zusammenhang einer früheren Schimmelexposition mit der Entwicklung von Asthma bei einigen Kindern, insbesondere bei Kindern, die für die Asthma-Entwicklung genetisch vorbelastet sind, … aber in dieser Hinsicht ist mehr Forschung erforderlich.
4.2 Großbritannien
Kann Feuchte und Schimmel meine Gesundheit beeinflussen? In Großbritannien beantwortet der National Health Service (NHS, größter nationale Gesundheitsdienst in Europa) diese Frage klar mit JA.
Bewohner von schimmelpilzbelasteten Gebäuden sind demnach eher betroffen von respiratorischen Infektionen, Allergien und Asthma. Ein Effekt auf das Immunsystem wird ebenfalls als mögliche Folge von Feuchte und Schimmel angeführt.
Sensitive Personen: Säuglinge und Kinder, Ältere Personen, Menschen mit bestehenden Hauterkrankungen (Ekzeme) und bestehenden respiratorischen Problemen (Allergien und Asthma) und Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Diese Personengruppe sollte sich laut NHS von Schimmel und Feuchte fernhalten.
Schimmelpilze produzieren Allergene (Substanzen, die eine allergische Reaktion verursachen können), Reizstoffe und manchmal auch giftige Stoffe. Einatmen oder Berühren von Schimmelsporen kann zu einer allergischen Reaktion führen, wie Niesen, eine laufende Nase, rote Augen und Hautausschlag. Schimmelpilze können auch Asthmaanfälle verursachen (11).
4.3 Forschung in Dänemark
Aktuell werden zum Thema „Schimmel und Gesundheit“ die Möglichkeit von Tiermodellen in der Forschung diskutiert. Am National Research Centre for Working Environment wurde ein Tiermodell entwickelt mit welchem die Wirkung von mit Sporen belasteten Aerosolen auf die Lunge von Mäusen getestet wurde (12).
5. Expositionsermittlung und Risikoeinschätzung im konkreten Fall
Die Expositionsermittlung gestaltet sich noch immer schwierig. Viele Sachverständige setzen als Messmethode (noch immer) allein auf die Raumluftmessung auf Sporen. Lassen sich in Innenräumen keine relevanten Sporenkonzentrationen im Vergleich zum Freiland nachweisen, wird simplifizierend geschlussfolgert, dass kein Schimmelschaden im Innenraum vorliegt. Bei dieser Vorgehensweise werden verschiedene Aspekte ausgeblendet, wodurch es häufig zu Falschbegutachtungen kommt:
- Die Sporulation (Bildung und Freisetzung von Sporne) ist abhängig von Jahreszeit, Tageszeit, raumklimatischen Verhältnissen, Luftbewegung und anderem, so dass die Ergebnisse von Raumluftuntersuchungen auf Sporen streng genommen nur die Sporensituation zum Zeitpunkt der Probenahme darstellen.
- Schimmel besteht nicht nur aus Sporen (siehe oben): Bei niedrigen Sporenkonzentrationen in der Raumluft heißt das nicht, dass keine anderen gesundheitsrelevanten Strukturen vorliegen. Dies ist auch deswegen relevant, da bis heute das eigentlich „Krankmachende“ bei einem Schimmelschäden noch immer nicht geklärt ist.
- Bereits im Jahr 2002 hat das Umweltbundesamt in seinem „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ auf Seite 45 formuliert (13): „In Einzelfällen kann es nämlich vorkommen, dass z. B. Ergebnisse von Luftkeimsammlungen negativ ausfallen, obwohl ein Schaden vorliegt.“ Eigene Untersuchungen bestätigen diese „offizielle und unabhängige“ Einschätzung einer Behörde derart, dass wohl nicht nur in Einzelfällen sondern in viel größerem Umfang derartige „Negativbefunde“ auftreten.
Wie weise ich dann aber nach, dass ein Schimmelschaden in der Wohnung, im Büro oder einer Schule vorhanden ist? Durch Materialproben, den Schimmelspürhund, MVOC-Messungen? Reicht der Nachweis von vorhandener Feuchte? Sind Altschäden messbar? Wenn ja, wie lange? Und weiter: Was soll gemessen werden? Welche Komponente aus dem Ökosystem Schimmel ist krankmachend? Sporen, Toxine Zellwandbausteine, …? Oder Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen und anderen Teilnehmern des Mikrobioms, evtl. Milbenkot (Stichwort: Allergie – Antigene). Viele Fragen, auf die es derzeit noch keine allgemeingültigen Antworten gibt, wenngleich in Einzelfällen systematische und strukturierte Vorgehensweise vorgenommen werden.
Der Sachverständige sammelt und bewertet die Angaben der Bewohner bzw. Betroffenen unter mikrobiologischen Gesichtspunkten, nimmt Anknüpfungstatsachen auf, erfasst sensorisch die Vor-Ort-Situation, veranlasst (labortechnische) Untersuchungen und bindet deren Ergebnisse in einen Gesamtzusammenhang ein. Er liefert damit die Grundlagen für die ärztliche Anamnese, wobei eine interdisziplinäre Vorgehensweise in der Praxis wünschenswert wäre.
Die abschließende Bewertung, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliegt ist nicht Aufgabe des Sachverständigen. Dessen Aufgabe und Pflicht ist, die Situation in einem Gebäuden umfassend im Gutachten zu beschreiben und damit die Grundlage für eine Bewertung unter gesundheitlichen Gesichtspunkten für die Heilberufe zu legen. Das Risikomanagement ist im Folgenden Aufgabe von Behörden, Umweltmedizinern und letztendlich der Gesellschaft und Politik. (Abb. 3 modifiziert nach 2).
Unabhängig davon muss jeder Einzelne eigenverantwortlich einen qualifizierten Arzt aufsuchen, wenn er der Meinung ist, dass er an Symptomen leidet, die aufgrund einer Schimmelpilzbelastung entstehen bzw. bestehen.
Gut geschulte Sachverständige erstellen von einem zu untersuchenden Gebäude/ einer Wohnungen ein Gesamtbild einer möglichen/ vorhandenen Schadstoffbelastung. Sie liefern damit wesentliche Entscheidungsgrundlagen bezüglich eines potentiellen Gesundheitsrisikos.
6. Fallbeispiele zu behördlichem Umgang bei „Schimmel und Gesundheit“
6.1 Sanierte Grundschule
Gesundheitliche Beschwerden von Lehrern und Schülern waren der Anlass für eine Begehung und Probennahme in einer „sanierten“ Grundschule. Erhöhte MVOC-Werte in der Raumluft ergaben einen ersten Verdacht auf einen Schimmelschaden. Die nachfolgende Begehung mit einem Schimmelspürhund verfestigte den Anfangsverdacht und gab Hinweise auf eine flächige Schimmelpilzbelastung im kompletten Untergeschoss. Erst daraufhin wurde vom Hausmeister angegeben, dass vor der Sanierung öfter stehendes Wasser im „Kellerbereich“ vorhanden war.
Bei Bauteilöffnungen der Fußbodenkonstruktion war neben bautechnischen Auffälligkeiten (Abdichtung defekt) Feuchte in der Dämmebene vorhanden. Extreme Geruchsbelastungen während der Probennahme deuteten schon auf eine mikrobielle Belastung hin. Betroffen war neben den Außenwandbereichen auch der Estrich in Raummitte. Die labortechnische Untersuchung bestätigte die Befürchtungen: An 7 von 7 Probenahmepunkten lag eine mikrobielle Belastung vor.
Die hinzugezogene Behörde (Gesundheitsamt) forderte daraufhin einen Lüftungsplan. In der Schule wurde für betroffene Klassenzimmer festgelegt, dass alle 45 Minuten eine Stoßlüftung durchzuführen sei. Der Erfolg der Lüftung wurde durch weitere Raumluftmessungen dokumentiert. Die MVOC-Werte waren nach dem Stoßlüften noch immer in einem auffälligen Bereich. Ob inzwischen eine fachgerechte Sanierung stattgefunden hat, ist nicht bekannt.
6.2 Grundschule mit Baukörper unterschiedlichen Baualters
Anlass für die Untersuchungen waren gesundheitliche Beschwerden und mehrere Krebsfälle im Lehrerkollegium. Erstuntersuchungen der Raumluft auf chemische Schadstoffe zeigten deutliche Auffälligkeiten bei Aldehyden (Richtwert-I-Überschreitungen bei Acetaldehyd und Formaldehyd). Mittels Materialuntersuchungen konnten verschiedene formaldehydabgebende Materialien erkannt werden.
Begehungen mit einem zuverlässigen Schimmelspürhund und ergänzende mikrobiologische Materialuntersuchungen lieferten deutliche Ergebnisse. Hohe/ auffällige mikrobielle Belastungen waren bei über 70 % der Proben aus Fußboden- und Deckenkonstruktionen nachweisbar.
Das Gesundheitsamt und übergeordnete Behörden sehen kein Risiko für die Gesundheit der Lehrer und Kinder. Mögliche Kombinationswirkungen finden in der Risikobewertung explizit keine Anwendung.
Obwohl unter innenraumhygienischen Gesichtspunkten ein Handlungsbedarf besteht, wäre für die Betroffenen wegen eindeutiger Aussagen der zuständigen Behörden („keine Gesundheitsgefahr“) die Situation ausweglos. In diesem Fall will der Schulträger allerdings eine zeitnahe Sanierung durchführen, da der öffentliche Druck (sozioökonomischer Bereich in Abb. 3) zu groß ist und einen Handlungsbedarf erzwingt.
7. Fazit
Richtwerte für Schimmelpilzbestandteile (Sporen, Zellwandbausteine, MVOC, Mykotoxine, …) sind wohl auch in Zukunft aus verschiedenen Gründen nicht zu erwarten. Die individuelle Ausstattung eines jeden Menschen ist so komplex, dass gesundheitliche Wirkungen biogener Schadstoffe schwer quantifizierbar sind.
Nach aktuellen Einschätzungen sollten im sinne einer gesundheitlichen Vorsorge möglichst alle Bestandteile des „Ökosystems Schimmel“ wie Sporen, andere Pilzstrukturen, Toxine und Milbenkot (allergenes Potential) aus Wohnräumen entfernt werden, egal ob die Nutzer über gesundheitliche Probleme klagen oder nicht.
Der kompetente Sachverständige sollte dem Raumnutzer und u. U. auch dem Umweltmediziner Grundlagen für eine gesundheitliche Bewertung liefern, soweit dies nach heutigem Stand möglich ist. Wichtig ist das Erfassen aller möglichen Schadfaktoren.
Die Vernetzung der einzelnen Behörden und eine gezielte Grundlagenforschung zum Thema „Schimmel und Gesundheit in Innenräumen“ wären wünschenswert.
Literatur
(1) Charles Blackley, 1873: Zitiert in Ivar Nilsby: Allergy to Moulds in Sweden, Acta allergologica, 1949, II, 57-90
(2) Mücke W, Lemmen C., 2008: Bioaerosole und Gesundheit, Wirkungen biologischer Luftinhaltsstoffe und praktische Konsequenzen
(3) Pieckova M, 2012: Adverse health effects of indoor moulds, Arh. Hig. Rada. Toksikol.
(4) Yu, 2015: Claudin-1 polymorphism modifies the effect of mold exposure on the development of atopic dermatitis and production of IgE, J. Allergy Clin Immunol. 827-30.
(5) Hüls A, 2017: Genetic susceptibility for air pollution-induced airway inflammation in the SALIA study, Enviromental Research, 43-50
(6) Robert Koch Institut, 2007: Schimmelpilzbelastungen in Innenräumen – Befunderhebung, gesundheitliche Bewertung und Maßnahmen, Bundesgesundheitsblatt, 1308 – 1323
(7) Umweltbundesamt, 2016: Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden „Schimmelleitfaden“ Entwurf 2016, Berlin
(8) World Health Organization, 2009: WHO-guidelines for indoor air quality: dampness and mould
(9) AWMF Leitlinie, 2016: Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen
(10) CDC Center of Disease Control: https://www.cdc.gov/mold/faqs.htm
(11) NHS National Health Service, UK: http://www.nhs.uk/chq/Pages/Can-damp-and-mould-affect-my-health.aspx
(12) Madsen A, 2016: Generation and Characterisation of Indoor fungal Aerosols for inhalation studies, National Research Centre for Working Environment, Denmark.
(13) Umweltbundesamt, 2002: Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, Berlin