Nicht nur in Altbauten, sondern auch in neuen Gebäuden, die nicht zuletzt durch die Vorgaben der EnEV immer besser isoliert sind, ist Schimmelpilzbefall ein ernstes Problem…
Fachbeitrag im Rahmen des 5. Würzburger Schimmelpilz-Forums
I. Einführung
Nicht nur in Altbauten, sondern auch in neuen Gebäuden, die nicht zuletzt durch die Vorgaben der EnEV immer besser isoliert sind, ist Schimmelpilzbefall ein ernstes Problem. Dies vor allem dann, wenn gravierende gesundheitliche Folgen für die Bewohner nicht ausgeschlossen werden können.
Eine dauerhafte Beseitigung wird regelmäßig nur dann erreicht werden können, wenn die Ursachen für den Schimmelbefall festgestellt und zielgerichtete Vorschläge für die erforderlichen baulichen Maßnahmen unterbreitet werden.
Schimmel kann nur auf Materialien wachsen, die eine leicht erhöhte Feuchtigkeit aufweisen. Letztere wiederum kann durch eindringendes Wasser oder durch Kondenswasserbildung an kalten Außenwänden, die mangelhaft isoliert sind oder sog. Wärmebrücken aufweisen, entstehen.
Tritt Streit darüber auf, wer letztlich für die aufgetretenen Symptome verantwortlich ist, ist der Gang zum Kadi vielfach die logische Konsequenz. Das Gericht wird naturgemäß die zur Entscheidung benötigten technischen Verantwortlichkeiten nicht aus eigener Sachkunde beurteilen können, so dass die Beiziehung eines Sachverständigen meist unumgänglich ist.
Aber auch außergerichtlich wird oftmals der Ruf nach dem „Schimmelgutachter“ als letzter Ausweg gesehen, ein aufgetretenes „Schimmelproblem“ in den Griff zu bekommen.
Vom „Schimmelgutachter“ werden hierbei langjährige Kenntnisse aus einer Reihe von Fachdisziplinen abverlangt, ohne die eine fundierte Begutachtung, Beratung und/oder Sanierungsplanung schwer möglich sein dürfte. Genannt seien exemplarisch die Bauphysik sowie Bautechnik, Messtechniken, Kenntnisse der physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Luft, Feuchte und Luftdrücke sowie der Klimaparameter. Für Fehler seiner Leistung muss der „Schimmelgutachter“, sei er vom Gericht oder privat beauftragt, wenn auch nach höchst unterschiedlichen Maßstäben grundsätzlich einstehen.
Die Haftungsvoraussetzungen und –folgen sind höchst unterschiedlich, je nachdem, ob der Gutachter in einem Streit- oder Beweisverfahren vom Gericht beigezogen wurde oder ob ein beauftragtes Privatgutachten rechtliches Einfallstor für behauptete Ansprüche eines Geschädigten ist.
II. Der gerichtliche Gutachter
1. Vorbemerkung
In gerichtlichen Baustreitigkeiten wird auf Antrag einer Partei vielfach Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Im selbständigen Beweisverfahren, das nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine streitige Auseinandersetzung vermeiden helfen soll, ist die Begutachtung der Beweisfragen durch einen Sachverständigen die Regel. Die Entscheidung von Rechtsfragen ist allerdings Sache des Gerichts. Der Sachverständige kann hierfür allenfalls Anknüpfungstatsachen liefern.
Auftraggeber des Sachverständigen, der diesem auch die Gebühren für seine Bemühungen in Rechnung stellt, ist das Gericht. Wer von den Parteien des Streitverfahrens letztlich die Gerichtskosten zu tragen hat, wird in der Kostenentscheidung festgelegt. Im selbständigen Beweisverfahren, in dem vom Grundsatz her keine Kostenentscheidung ergeht, ist Kostenschuldner gegenüber der Gerichtskasse regelmäßig der Antragsteller.
Ein unrichtiges Gutachten kann das Gericht zu falschen Entscheidungen veranlassen oder den Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens beispielweise davon abhalten, ihm tatsächlich zustehende Ansprüche weiter zu verfolgen.
2. Haftung nach § 839a BGB
2002 wurde ins BGB eine neue Haftungsnorm eingefügt, die gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB anzuwenden ist, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31.07.2002 eingetreten ist.
§ 839a BGB
(1) Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, so ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
(2) § 839 Abs. 3 ist entsprechend anzuwenden.
§ 839 Abs. 3 BGB
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
2.1 Haftungsnorm ist abschließend
Die Haftung nach § 839a BGB ist im Rahmen ihres Anwendungsbereichs abschließend (BGH, Urt. v. 10.10.2013 – III ZR 345/12, NJW-RR 14/90). Eine Haftung etwa nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB ist daneben nicht anwendbar, da ansonsten der Beschränkungszweck der Norm unterlaufen würde.
Bestehen bleibt demnach lediglich die Haftung aus § 826 BGB wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung, dies allerdings auch nur für durch § 839a BGB nicht erfasste Schäden.
2.2 Falsche richterliche Entscheidung erforderlich
Nach dem Wortlaut der Norm setzt die „Amtshaftung“ nach § 839a BGB voraus, dass das unrichtige Gutachten Grundlage einer darauf fußenden gerichtlichen Entscheidung war. Endet das Verfahren ohne gerichtliche Entscheidung, also etwa durch Vergleich, ist für die Anwendung von § 839a BGB kein Raum. Dies auch dann nicht, wenn der Vergleich unter dem Eindruck des unrichtigen Gutachtens abgeschlossen wurde (OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.03.2011 – 12 W 456/11, NJW-RR 2011, 1216). Folgt einem selbständigen Beweisverfahren kein Hauptsacheverfahren nach, ist § 839a BGB tatbestandlich ebenfalls nicht erfüllt.
Die richterliche Entscheidung muss zudem (zumindest mitursächlich) auf dem unrichtigen Gutachten beruhen. Darüber, ob diese weitere Tatbestandsvoraussetzung gegeben ist, geben die Entscheidungsgründe Aufschluss. War das Gericht ohnehin auf dem falschen Weg, wäre also die richterliche Entscheidung auch so ausgefallen, wenn das unrichtige Gutachten hinweggedacht wird, soll es an der Ursächlichkeit des Gutachtens für die richterliche Entscheidung fehlen (Wagner, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, Rn. 12 zu § 839a BGB).
2.3 Hohe Hürden
Es gibt zwar inzwischen Einzelfälle, in denen Gerichtssachverständige nach § 839a BGB zu einer Schadensersatzzahlung verurteilt wurden. Gleichwohl zeigen die bisher ergangenen Urteile, dass auf dem Weg zu einer Ersatzverpflichtung hohe – teilweise kaum überwindbare – Hürden zu nehmen sind.
2.3.1 Unrichtiges Gutachten
Der Nachweis, dass das Gutachten objektiv falsch ist, also der objektiven Sachlage nicht entspricht, mag vielleicht noch gelingen. Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten dann, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht; dies kann dann der Fall sein, wenn das Gutachten von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht (z.B. fehlerhafte oder unvollständige Befunderhebung) oder aus dem festgestellten Sachverhalt falsche Schlüsse zieht (BGH, Urt. v. 10.10.2013 – II ZR 345/12; hierzu auch: OLG Rostock, Beschl. v. 21.03.2006 – 8 U 113/05). Allein die Abweichung des Gerichtssachverständigen von den Bewertungen anderer Sachverständiger (etwa eines von einer Verfahrenspartei beigezogenen Privatgutachters) ist für sich genommen allerdings noch kein ausreichender Hinweis auf eine Fehlerhaftigkeit oder ein grob fahrlässiges Vorgehen. Ein unrichtiges Gutachten im Sinne des § 839a BGB liegt auch dann nicht vor, wenn dieses – beispielsweise wegen Befangenheit des Sachverständigen – lediglich nicht verwertbar ist (OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.2014 – I-9 U 231/13, BauR 2014, 1330).
2.3.2 Grob fahrlässige Pflichtverletzung
Zu Fall wird der Haftungsanspruch in aller Regel aber spätestens bei dem Versuch des Nachweises der groben Fahrlässigkeit kommen. Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (OLG München, Urt. v. 17.10.2013 – 1 U 3816/12). Erforderlich ist hierzu, dass der Sachverständige bei der Erstellung seines Gutachtens einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und nicht beachtet (Landgericht Münster, Urt. v. 12.02.2013 – 2 O 284/08). Subjektiv muss eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das gewöhnlich Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt (OLG Celle, Beschl. v. 05.05.2009 – 4 U 26/09).
Andererseits kann sich aber der Sachverständige vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht allein durch den Hinweis freizeichnen, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens jedermann, also auch den entscheidenden Richtern, auf Grund nahe liegender Überlegungen hätte einleuchten müssen. Maßgebend hierfür ist vielmehr, so der Bundesgerichtshof, die Perspektive des Sachkundigen (BGH, Beschl. v. 24.07.2014 – III ZR 412/13 unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats vom 10.10.2013 – III ZR 345/12, NJW-RR 2014, 90, 92 Rn. 27). Um den Grad des Verschuldens zuverlässig beurteilen zu können, ist demnach der Sorgfaltsmaßstab eines Sachkundigen heranzuziehen. Geht es um Bauschäden, dürfte ein Verkehrswertgutachter regelmäßig nicht über die erforderliche Fachkunde verfügen.
Aus den Entscheidungsgründen des Beschlusses vom 24.07.2014:
„…Das Gericht bedient sich der Hilfe des Sachverständigen, weil es über die nötige eigene Sachkunde nicht verfügt. Es ist deshalb typischerweise nicht ohne weiteres in der Lage, fachliche Mängel des Gutachtens zu erkennen. Damit aber kommt seiner „Billigung“ entgegen der Meinung des Berufungsgerichts auch keine ein grobes Verschulden des Sachverständigen generell ausschließende Bedeutung zu. Die Billigung des Gutachtens des Sachverständigen im Ausgangsprozess ist in aller Regel gerade Voraussetzung für die Haftung des Sachverständigen gemäß § 839a BGB, weil diese nur eingreift, wenn die Entscheidung des Ausgangsprozesses auf seinem Gutachten – und damit auch auf dessen Billigung durch die Gerichte des Ausgangsprozesses – beruht. Wollte man annehmen, die Billigung des Gutachtens und der Vorgehensweise des Sachverständigen durch die Gerichte des Ausgangsverfahrens lasse in grobes Verschulden des Sachverständigen entfallen, liefe die Haftung nach § 839a BGB weitestgehend leer und würde praktisch bedeutungslos…“
2.4 Haftungsausschluss
Ein Ersatzanspruch des Geschädigten ist dann ausgeschlossen, wenn es dieser vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Rechtmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB sind hierbei nicht nur die nach Abschluss einer Instanz vorgesehenen Rechtsmittel (Berufung, Revision). Angesprochen sind vielmehr auch Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten richten und bestimmt und geeignet sind, dessen Auswirkungen auf die instanzbeendende Entscheidung zu verhindern (Bsp.: Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen, Ergänzungsfragen zum Gutachten, Einwendungen gegen das Gutachten).
Ist eine Partei mit dem gerichtlichen Gutachten nicht einverstanden muss sie, will sie Regressansprüche nicht von vorneherein verlieren, bereits im Ursprungsprozess schlüssig auch die Voraussetzungen für die Einholung eines neuen Gutachtens liefern (§ 412 ZPO). So jedenfalls hat es das Landgericht Wiesbaden in seinem Urteil vom 27.09.2013 (2 O 12/12) judiziert. Das § 412 ZPO praktisch kaum zum Zuge kommt, ist zumindest Insidern bekannt. Ob das nun wirklich auch noch verlangt werden kann, wurde zurecht in Frage gestellt (Ulrich, IBR 2014, 115).
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Der „Schimmel-Gutachter“ und seine Haftung